Uwe Lambinus ist neuer Ehrenbürger der Stadt
Uwe Lambinus, jahrzehntelang in der Politik auf fast allen Ebenen aktiv, ist am Freitagabend bei der Jahresschlusssitzung zum Ehrenbürger ernannt worden. Damit würdigte Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder das Lebenswerk des Politikers im Ruhestand.
Laudatio
Lieber Herr Lambinus!
Politisch aktiv sind Sie, seit Sie denken können. In politischen Ämtern sind Sie seit 1968, als Sie mit 26 Jahren zum Bürgermeister der damals noch selbständigen Gemeinde Zimmern gewählt wurden. Aufgefallen sind Sie schon früher - nicht erst als jüngster Bürgermeister Bayerns - durch ihre Mitarbeit in Ihrer Partei, der SPD, der Sie seit dem 16. Lebensjahr angehören. Ortsvorsitzender in Zimmern, Unterbezirksvorsitzender und Landesvorstandsmitglied der Jusos, Kreisvorsitzender der SPD Main-Spessart, Landesvorstandsmitglied, Unterbezirksvorsitzender, Mitglied des Bezirksvorstands – alle diese Parteiämter haben Sie -nein, nicht „durchlaufen“, sondern gelebt!
Freie Rede und Überzeugungskraft, das zeichnet Sie aus; dabei konnten Ihre Reden - wenn es das Thema erforderte – durchaus unangepasst und auch scharf sein. Ungerechtigkeit hat Sie aufgeregt und regt Sie auf – und zur Tätigkeit an. In all den Jahren waren Sie immer mitten unter den Menschen, haben deren Probleme angehört und mit erlebt und nach Kräften versucht, positive Veränderungen herbeizuführen. Dabei war immer selbstverständlich:
„Wer auf andere Leute wirken will, der muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen reden.“
Ihre Bürgermeisterzeit, lieber Uwe Lambinus, war eine kurze, aber auch besondere: Sechs Jahre lang übten Sie dieses Amt aus und führten die damals noch selbständige Gemeinde Zimmern im Zug der Gemeindegebietsreform zur Eingliederung in die Stadt Marktheidenfeld. Der Kommunalpolitik blieben Sie treu: Seit der von vielen Nachwehen begleiteten „Geburt“ des Landkreises Main-Spessart im Jahr 1972 gehörten Sie bis zu diesem Jahr dem Kreistag an. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie damals schon erfahren haben:
„Selbst wenn der Deutsche nichts hat, Bedenken hat er.“
Das Jahr 1972 setzte aber noch einen weit stärkeren Meilenstein in Ihrem Leben: Sie wurden in den Bundestag gewählt, wo Sie zunächst erneut mit Ihren jungen 31 Jahren auffielen. Sie waren Mitglied im Rechtsausschuss, im Innenausschuss und im Sportausschuss unter den Kanzlern Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl. Vom Grundlagenvertrag mit der DDR 1972 bis zur Wiedervereinigung 1990 haben Sie ein außerordentliches Kapitel deutscher und europäischer Geschichte im Bonner Bundestag mit gestaltet.
„Alles ist richtig, auch das Gegenteil. Nur ‚zwar – aber’, das ist nie richtig.“
Auch das haben Sie erlebt – und dieses sprichwörtliche „Zwar-Aber“ ist wahrlich nicht Ihre Art! So dienen Sie bis heute im besten Sinn Ihrer Partei; Ihr Gewissen und Ihr Gerechtigkeitsempfinden jedoch standen immer über Partei- oder Fraktionsdisziplin.
1994 kandidierten Sie nach 22 Jahren nicht mehr für den Bundestag. Ein Grund dafür war, wie Sie anlässlich eines Interviews zu Ihrem 70. Geburtstag in gewohnter Deutlichkeit sagten: „Ich hatte die Schnauze voll; das Gerangel um die Macht ging mir auf den Wecker.“
Sie, lieber Herr Lambinus, sind auch auf der oberen politischen Ebene sich selbst treu geblieben, mit eigenständigem Denken, mit deutlicher Sprache und vor allem: immer mit der Hauptaufgabe im Blick, das Leben der Menschen zu verbessern. Viele Entscheidungen Ihrer SPD schmerzten Sie, stillschweigend nahmen Sie keine davon hin. Aber – wie Sie in einer Rede von 2006 sagten - für Sie lohnt es sich, für Ihre Partei zu arbeiten, für sie zu streiten und manchmal auch für sie zu leiden. Das haben Sie, nachdem Sie nicht mehr für den Bundestag kandidiert haben, fortgesetzt bis heute.
1996 kandidierten Sie für den Stadtrat von Marktheidenfeld, wurden gewählt und stellten Ihre Kraft und Ihre Erfahrungen wieder ganz in den Dienst der Kommunalpolitik. Eines der Motive dafür war, dass hier Ergebnisse relativ schnell sichtbar sind und die Bewertung unserer Ergebnisse meistens erheblich einfacher ist! Erfolgserlebnisse gibt es tatsächlich immer wieder!
Ganz sicher ist, dass jemand, der nach so langer Zeit im Bundestag nicht aufhört, sondern weiter an der Basis mit hohem Zeitaufwand ehrenamtlich arbeitet, nur ein „Überzeugungstäter“ sein kann. Sie folgen im Stadtrat Ihrem Bruder Heinz, der nach 30 Jahren leidenschaftlicher Mitarbeit in diesem Gremium nicht mehr kandidiert hatte. Sie waren Mitglied im Personalausschuss und Ehrenkuratorium seit 1996, im Finanz- und Wirtschaftsausschuss, im Kulturausschuss, im Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtmarketing und von 1999 bis12. Januar 2012 auch Fraktionsvorsitzender im Stadtrat.
Lieber Uwe Lambinus,
Ihr öffentliches Leben kann in zwei Adjektiven zusammengefasst werden: politisch und sozial. Im Stadtrat und im Kreistag kamen uns Ihre Kenntnisse, Ihre politische Erfahrung und Diskussionslust, aber gleichermaßen Ihre Bereitschaft zum Kompromiss und Ihre Kollegialität zu Gute.
„Toleranz ist der Verdacht, dass der andere Recht hat.“
Unter dieser Prämisse stand Ihre immer gute Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen im Kreistag wie im Stadtrat, egal wie unterschiedlich die Auffassungen in der Sache oder wie emotional die Diskussionen waren. Emotional: Ja, das sind Sie - danke auch dafür! Wer nicht nur nehmen, sondern auch geben will, wer sich aus tiefstem Herzen nicht nur um sein eigenes Wohlergeben, sondern auch um das seiner Mitmenschen kümmern will - vor allem derer, die ungerecht behandelt werden, der ist eben emotional! Der Emotion folgte jedoch immer rationales Handeln und in der Verbindung von beidem haben Sie auch gelegentlich ein ganzes Gremium „herumgerissen“! Ihrem Handeln zugrunde liegen stets Ihre Grundüberzeugungen, die Sie vor allem in der Auseinandersetzung über die großen gesellschaftspolitischen Fragen der 1970er Jahre gewonnen haben.
Lieber Herr Lambinus, Sie befürchten, die Menschen könnten sich mehr und mehr abwenden von der Demokratie, weil sie meinen, keinen Einfluss mehr auf politische Entscheidungen zu haben und weil es fast nicht mehr möglich ist, die immer komplizierteren und miteinander verquickten Sachfragen so zu erklären, dass die allermeisten Bürger die Meinungsbildung der Politiker auch verstehen und Entscheidungen nachvollziehen können. Ich hoffe, die Zukunft beweist das Gegenteil. Hier im Stadtrat haben wir in großer Gemeinsamkeit vieles verwirklicht, um mit der Nutzung aller Informationsmöglichkeiten und mit vielen Projekten der Bürgerbeteiligung, diesen Befürchtungen entgegen zu wirken. Wir werden diesen Weg weiter gehen! Bei Ihrem Ausscheiden aus dem Gremium haben Sie deutlich gesagt, dass die erfolgreiche Entwicklung der Stadt Marktheidenfeld eine wesentliche Grundlage hat: Es ist seit Jahrzehnten im Stadtrat Kultur, dass zuerst das Wohl der Stadt steht und erst dann die mögliche eigene Profilierung. Das unterscheidet uns von vielen – und diese Kultur zu bewahren, bleibt erste Aufgabe des Stadtrats!
Die Lebensleistung von Uwe Lambinus ist die unermüdliche Arbeit auf allen Ebenen für eine lebendige Demokratie. Sie haben immer „mehr Demokratie“ nicht nur „gewagt“!
Dieses Zitat ist von Willy Brandt – nicht wie die vorherigen von Kurt Tucholsky – und dafür steht der Name Uwe Lambinus, dafür arbeiten Sie, lieber Herr Lambinus, noch immer weiter. Mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und dem Bayerischen Verdienstorden sowie der Georg-von-Vollmar-Medaille wurden Ihre Leistungen dafür bereits hoch anerkannt.
Die Stadt Marktheidenfeld dankt Ihnen heute für Ihr jahrzehntelanges Engagement mit der höchsten Auszeichnung, die sie vergeben kann: Verleihung des Ehrenbürgerrechts.
Ich gratuliere Ihnen im Namen der Stadt Marktheidenfeld und ihrer Bürger sehr herzlich. Und meine guten Wünsche für Sie und Ihre Familie möchte ich mit einem letzten Tucholsky-Zitat ausdrücken: „Man braucht sehr viel Geduld, um diese zu lernen“ – diese Zeit wünsche ich Ihnen von Herzen!
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